Talent Relationship Management. Das Ende der Stellenanzeige?
Auch wieder einer dieser aus dem Marketing abgeleiteten Personaler Begriffe. „Talent Relationship Management“ kommt von Customer Relationship Management, heute bei vielen Unternehmen das Herzstück aller Vertriebsaktivitäten. Armin Trost hat ein ganzes Buch dazu geschrieben: „Talent Relationship Management: Personalgewinnung in Zeiten des Fachkräftemangels„.
Nachdem ich vor 2 Wochen bei Management Meetings in Hamburg ein Korreferat zu Christoph Fellingers (Recruiting Generation Y) Vortrag zum Thema Talent Relationship Management gehalten habe und dann noch die Agentur Wollmilchsau in der letzten Woche in ihrem Blog titelte „Zappos schafft die Stellenanzeige ab“ ist es Zeit, dass ich dieses äußerst spannende Thema hier aufgreife. Wer also ist Zappos und wie kann der wichtige Recruiting Kanal „Stellenanzeige“ ersetzt werden? Welche Rolle spielen dabei unternehmenseigene Kandidatennetzwerke oder Talent Communities?
Wer oder was ist Zappos?
Zappos ist ein mittlerweile zu Amazon gehörendes eCommerce Unternehmen in den USA (Schuhe und Klamotten). Zappos hat 1500 Mitarbeiter und will um weitere 450 wachsen. Im letzten Jahr lag der Bewerbungseingang bei 31000, davon sind 1,5% eingestellt worden, der Rest erhielt Absagen. Wie im Wollmilchsau Blog zusammengefasst, oder wie vom Zappos HR Manager dargestellt, ist der Hauptgrund für die Abschaffung der Anzeige, der zu hohe und v.a. nicht zielführende administrative Aufwand, die Bewerbungen zu verwalten und abzusagen. Zeit, die sich nach Ansicht von Zappos HR Manager Mike Bailen, besser für den langfristigen und zielgerichteten Beziehungsaufbau zu potentiellen Kandidaten nutzen läßt. Zudem gab es eine Absprungrate von 80% auf der Stellenseite. Besucher, die gar keinen interessanten Job fanden, aber vielleicht genau die richtigen zukünftigen Mitarbeiter waren.
Statt der Stellenanzeigen hat Zappos ein Portal geschaffen, in dem der Besucher zunächst nach Unternehmensbereichen auswählen kann, dort wird dann das jeweilige Team vorgestellt. Der nächste Schritt ist „Become an Insider„. Insider wird der potentielle Kandidat über die Registrierung inkl. der eigenen Vorlieben bzgl. eines künftigen Jobs. Verschiedene Argumente erläutern den Nutzen der Registrierung, so z.B. der direkte Zugang zu Zappos Mitarbeitern, die exklusive Einladung zu Events, etc.
Wie können Stellenanzeigen ersetzt werden?
Was Zappos da macht ist Talent Relationship Management in Reinkultur, also die ausschließlich über die aktive Identifikation und Ansprache passiver Kandidaten vorgenommene Bindung interessierter Kandidaten an ein Unternehmen über einen längeren Zeitraum mit dem Ziel diese dann einzustellen. Kurz dargestellt: 1.Identify – 2.Engage – 3.Win (siehe meine bei Management Meetings gehaltene Präsentation).
In oben zitiertem Buch von Armin Trost sind Stellenanzeigen eben auch KEIN Thema, denn dieses Buch ist geschrieben für die Weiterentwicklung des Recruitings, weg vom „Post & Pray“. Kapitel 6 widmet sich ausführlich den aktiven Suchstrategien. Hier geht es neben Mitarbeiterempfehlungsprogrammen und Campus Recruiting auch um Social Recruiting, das Netzwerken mit potentiellen Kandidaten. Viele Unternehmen setzen Talent Relationship Management heute zielgruppenspezifisch ein, eben dort wo Stellenanzeigen nicht mehr wirksam sind. Selbstverständlich kann all dies nur auf der Basis eines klar herausgearbeiteten „Arbeitgeberversprechens“, der sog. Employee Value Proposition erfolgen.
Das firmeneigene soziale Kandidatennetzwerk ersetzt das klassische Bewerbermanagement
Ein eigenes Netzwerk mit potentiellen Kandidaten zu unterhalten, wie Zappos es macht, ist sicherlich recht aufwendig, doch stehen Zeitersparnisse seitens der Bewerberadminstration dagegen und zudem ein echter Reputationsgewinn. Zappos muss keine Absagen mehr verschicken. Wie Martin Gaedt in seinem Buch „Mythos Fachkräftemangel“ darlegt, wird jede Absage zu einer vielfachen negativ-PR.
Kandidatennetzwerke sind vom Ansatz her nicht neu. Einige Unternehmen arbeiten bereits seit vielen Jahren mit sog. Talent Communities, die z.B. die Firma IntraWorlds anbietet. So existiert bei BMW ein Community-Portal für Nachwuchsprogramme genannt „Cube„. Andere Unternehmen unterhalten solche Netzwerke für ehemalige Praktikanten. Letztlich funktionieren diese Portale ähnlich wie Facebook. Kandidaten können dazu gezielt eingeladen werden, oder registrieren sich auf der Karriereseite. Das Unternehmen erhält detaillierte Informationen der Kandidaten. Neben den klassischen Angaben auch, unter welchen Bedingungen die Person wechseln würde. Selbstverständlich muss das Portal vom Unternehmen lebendig gestaltet werden und dem Exklusivitäts-Status seiner Mitglieder gerecht werden.
Die Plattform von Intraworlds funktioniert wie ein professionelles CRM System. So lassen sich zeitpunktbezogene Engagement Kampagnen für bestimmte Kandidatengruppen definieren, die dann automatisiert ablaufen. Selbstverständlich gibt es eine Newsletter Funktion. Verschiedene Pools können gebildet werden.
Eine zentrale Frage ist die nach der Beteiligung der Mitarbeiter an einem solchen Netzwerk. Oftmals nehmen von Firmenseite nur wenige Mitarbeiter aus dem Personalmarketing teil. Dies könnten z.B. die sog. Entry Coaches bei Accenture sein. Wichtig ist aber, dass Vertreter der Fachabteilungen ebenso präsent und direkt ansprechbar sind. Sie sollten potentielle zukünftige Kandidaten aus Ihren Netzwerken einladen. Ein starkes Kandidatennetzwerk bildet so idealerweise die relevante Gesamtheit aller einzelnen Netzwerke der Mitarbeiter. Ein Sonderplätzchen sollten Kandidaten ausgewählter Wettbewerber erhalten.
Das Ende der Stellenanzeige?
Persönlich bin ich der Meinung, dass der proaktive und langfristige Ansatz des Recruitings mit Talent Relationship Management zielführender ist, ohne dabei irgendeinem Unternehmen zu empfehlen direkt diesen Weg zu gehen. Dieser benötigt eine lange Vorbereitung und macht natürlich nur Sinn, wenn ich immer wieder bestimmte Positionen zu besetzen habe, also zunächst zielgruppenspezifisch, dort wo in Zukunft ein schwieriger Markt antizipiert wird, oder es bereits einen schwierigen Markt gibt. Dabei werden Stellenanzeigen teilweise durch Imagekampagnen abgelöst, wozu z.B. auch gezieltes Digital Advertising gehören könnte. Wird einmal in 10 Jahren ein SAP Projektleiter gesucht, so ist vielleicht doch eine Anzeige sinnvoll und mit viel Glück… (hat gerade bei einem mir bekannten Unternehmen sehr gut funktioniert) oder ich beauftrage eine Beratung. Armin Trost empfiehlt übrigens auch den zielgruppenspezifischen Ansatz bezogen auf Schlüssel- und Engpassfunktionen.
Die „HR Suppe“ hat in der letzten Woche das Thema hinreichend diskutiert, allerdings mit einer großen Portion Skepsis. Hier seien die Kommentare Robindro Ullah’s in seinem Suppenreport und die von Henner Knabenreich erwähnt. Auch der Blog von Saatkorn aus Oktober 2013 ist lesenswert. Der Eintrag beschäftigt sich ausführlicher mit den verschiedenen Phasen des Talent Relationship Managements.
Fazit: die Stellenanzeige wird noch ein Weilchen leben, frei nach dem Motto „Totgesagte leben länger“. Allerdings wird sich das Recruiting zunehmend davon abwenden, ggf. wird es aber auf der Seite der Stellenanzeige auch Innovationen geben (Beispiel: Real Time Advertising).