Candidate Experience – Essenz des Recruitings

Vor einiger Zeit wurden wir von Ella Blumentrath, Studentin des „Management of People“ an der University of Southern Denmark in Odense für ein Interview zu ihrer Masterarbeit kontaktiert, deren Thema die Candidate Experience ist. Der genaue Titel lautet: „The Candidate in the Centre of Attention in Recruitment and Selection Processes: Key Factors of the Candidate Experience“.

Nun ist die Arbeit fertig und Ella hat ihren Master in der Tasche. Zeit für uns, sie kurz zu den Ergebnissen zu befragen, denn es kann über dieses Thema nicht genug geschrieben werden. Es ist, unserer Meinung nach, das A und O des Recruitings.

EllaSEUBERT HR: Liebe Ella, Danke, dass Du Dir die Zeit nimmst nun Deinerseits für ein Interview für die Leser unseres Blogs zur Verfügung zu stehen. Vielleicht kurz vorab aus Neugier: wie kam es dazu, dass Du gerade den Studiengang „Management of People“ in Odense ausgewählt hast?

Ella Blumentrath: Ich wollte meinen Master gerne auf Englisch machen und Dänemark ist ein tolles Land zum Studieren und Leben, zum Beispiel geht es nicht ums reine Auswendiglernen von Lernstoff, sondern um die Anwendung von Wissen und man lernt in einem internationalen Umfeld. Wenn man sich dort für einen Master in Wirtschaftswissenschaften bewirbt, kann man seinen Schwerpunkt wählen und ich habe mich für „Management of People“ entschieden, weil mich die Kurse interessiert haben und ich gerne im Personalbereich arbeiten möchte.

SEUBERT HR: Und wie wurde die Idee zu einer Masterarbeit über Candidate Experience geboren?

Ella Blumentrath: Ich habe mich hier in Hamburg nach Unternehmen umgeschaut, die Interesse an einer Kooperation bezüglich einer Masterarbeit haben, damit meine Arbeit einen praktischen Bezug hat und nicht nur in den Regalen meiner Uni verstaubt. So bin ich auf HR Puls GmbH gestoßen. Wir haben uns schnell auf dieses Thema geeinigt, da es für mich spannend war, über ein Thema zu schreiben, das im Kommen ist und immer relevanter wird. Ich hatte großen Gestaltungsspielraum bezüglich der Ausarbeitung des Themas, was viel Spaß gebracht hat.

SEUBERT HR: Erläutere uns doch bitte kurz die Zielsetzung Deiner Arbeit und Deine Vorgehensweise.

Ella Blumentrath: Der grundlegende Gedanke war, herauszufinden, wie man die Candidate Experience verbessern kann, da es in vielen Unternehmen noch große Verbesserungspotenziale gibt. Dafür habe ich mich mit den Faktoren, die die Candidate Experience beeinflussen, beschäftigt. Ziel der Arbeit war also die Schlüsselfaktoren zusammenzufassen und Empfehlungen zu formulieren. Zuerst habe ich die Literatur nach Faktoren untersucht, die als relevant angesehen werden. Anschließend habe ich in meinem empirischen Teil Interviews mit Bewerbern und Recruitern geführt um die theoretisch entwickelten Faktoren in der Praxis zu untersuchen. Dabei habe ich die Critical Incident Technique angewandt, die nach besonders kritischen Ereignissen fragt. In diesem Fall ging es um positive und negative Erfahrungen der Bewerber in Bewerbungsprozessen. Die Interviews wurden dann ausgewertet und ich konnte zahlreiche Empfehlungen treffen.

SEUBERT HR: Welches waren denn die wichtigsten Schlüsselfaktoren, die Du identifizieren konntest?

Ella Blumentrath: Aus der bestehenden Literatur habe ich elf Faktoren herausgearbeitet, die Einfluss auf die Candidate Experience nehmen, unter anderem Schnelligkeit, Feedback, Vertrauen, Transparenz und Kommunikation. Diese Faktoren wurden auch in den Interviews von meinen Gesprächspartnern aufgegriffen, direkt oder indirekt, manche Faktoren intensiver und häufiger als andere. Meine Annahmen aus meinem theoretischen Teil wurden bestätigt und es gab keine großen Widersprüche. Eine Erkenntnis aus meiner Arbeit war auch, dass man die Faktoren schwer voneinander trennen kann, da sie voneinander abhängig sind und man das Thema deshalb auch ganzheitlich betrachten muss. Wenn man an einer Schraube dreht, also z. B. sein Feedback-Verfahren ändert, wird das auch Einfluss auf andere Faktoren, wie die Beziehung zwischen Unternehmen und Kandidaten und das Vertrauen, nehmen.

SEUBERT HR: Was sind also die Empfehlungen an Unternehmen?

Ella Blumentrath: In meiner Arbeit habe ich zahlreiche Empfehlungen aufgeführt, da sich aus jedem der elf Faktoren ein bis drei unterschiedliche Vorschläge ergeben haben. Viele dieser Empfehlungen sind auch kein großes Geheimnis, z. B. müssen Recruiter sicherstellen, dass die Technik des Bewerbungsformulars funktioniert und benutzerfreundlich ist, dass dem Bewerber ein konkreter Ansprechpartner zugeteilt wird, der immer in Reichweite ist, oder dass Recruiter so schnell wie möglich und innerhalb von zwei Wochen, reagieren, Feedback geben und Fragen beantworten.

Weiterhin ist wichtig den Bewerber über den gesamten Prozess gut zu informieren, über die Position, das Unternehmen, das Auswahlverfahren, den jeweiligen aktuellen Stand im Bewerbungsprozess und schließlich, v.a. wenn der Kandidat in der engeren Auswahl war, ein aufrichtiges, verständliches und persönliches Feedback zu geben.

SEUBERT HR: Das scheinen in der Tat die wichtigsten Elemente bei der Candidate Experience zu sein. Nicht zu vergessen, es liest sich vielleicht trivial, aber die absoluten Basics sind mit dem Bewerber respektvoll, empathisch, höflich, freundlich und fürsorglich umzugehen und ihm Wertschätzung entgegenbringen. Wir erleben hier leider im Recruiting-Alltag oft kleinere, manchmal auch größere Ausreißer…

Ella Blumentrath: Ja, die Theorie und meine Interviews haben bestätigt, dass Bewerber immer noch viele schlechte Erfahrungen machen. Ich würde aber behaupten, die Candidate Experience zu verbessern ist kein Hexenwerk. Dazu kann ich empfehlen, sich mit den Büchern von Tim Verhoeven (Candidate Experience: Ansätze für eine positiv erlebte Arbeitgebermarke im Bewerbungsprozess und darüber hinaus) und Maïté Ullah und Robindro Ullah (Erfolgsfaktor Candidate Experience: Der Perspektivwechsel im Recruiting) zu befassen, sie bieten einen guten Einstieg in das Thema. Weiterhin ist die Candidate Experience Studie von Athanas und Wald interessant, die man online downloaden kann. Unternehmen, die ihre Candidate Experience messen, benchmarken und verbessern wollen, können an den Candidate Experience Awards teilnehmen, die es seit 2015 auch in der DACH-Region gibt. Außerdem gibt es zahlreiche Blogs und Reports auf Englisch, die sich mit dem Thema auseinandersetzen (Anmerkung: hier natürlich zuerst zu nennen Tim’s Blog „NochEinPersonalmarketingBlog“).

SEUBERT HR: Ella, ich Danke Dir für Deinen Input und hoffe, viele Unternehmen lassen sich zu Verbesserungen inspirieren. Es wird sich in jedem Fall auszahlen, die Einstellungsquote bei gleicher Anzahl von Kandidaten im Bewerbungsprozess sollte steigen und auch die Anzahl qualifizierter Bewerbungen wird steigen, da sich ein guter Ruf schnell im Markt verbreitet!

… und einmal mehr wurde gezeigt, dass Candidate Experience essentiell für erfolgreiches Recruiting ist! Und NOCH sucht Ella nach einem interessanten Berufseinstieg…

15. Juli 2016 von Volker Seubert
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